Verarbeitung von belastenden Hilfseinsätzen
Notfallseelsorge - 19 Einsatzkräfte aus fünf Organisationen wurden zu „Peers“ ausgebildet. (HZ v. 11.04.23)
Einsatzkräfte der Feuerwehr, des DRK und anderer Organisationen sind schnell zur Stelle, wenn nach einem Unfall oder Unglück Hilfe benötigt wird. Dabei sind sie oft einer Vielzahl von belastenden Eindrücken ausgesetzt. Neben der Not von Betroffenen erleben sie mitunter auch ihre eigenen Grenzen, müssen sich selbst in Gefahr begeben oder sehen Parallelen zu ihrer eigenen Lebenssituation. Dann kann es vorkommen, dass die Eindrücke vom Einsatzort über mehrere Tage hinweg präsent bleiben, als wäre man noch am Einsatzort.
Um dem vorzubeugen und Einsatzkräfte bei der Verarbeitung des Erlebten zu unterstützen, bietet die Notfallseelsorge seit mittlerweile beinahe 25 Jahren verschiedene Formen der Begleitung an. Schon seit Längerem ist jedoch auch bekannt, dass Präventions- und Nachsorgeangebote auf eine höhere Akzeptanz stoßen und gleichzeitig wirksamer sind, wenn sie unter Beteiligung entsprechend geschulter Einsatzkräfte stattfinden.
Geschulte Einsatzkräfte
Rolf Wachter, Leiter der Notfallseelsorge, berichtet: „Schon seit einigen Jahren streben wir die Gründung eines Einsatznachsorgeteams an, in dem auch entsprechend geschulte Einsatzkräfte mitwirken. Leider hat sich das, nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie, in der Schulungsangebote lange Zeit gar nicht möglich waren, um mehrere Jahre verzögert.“
An zwei Wochenenden im März war es aber so weit. Insgesamt 19 Angehörige unterschiedlicher Hilfsorganisationen sowie der Notfallseelsorge absolvierten zwei grundlegende Ausbildungsmodule zur Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen und ließen sich zu „Peers“ und „Psychosozialen Fachkräften“ ausbilden. In der Heidenheimer Feuerwache erfuhren sie viel über die Ursachen und Auswirkungen von einsatzbezogenem Stress und unterschiedliche präventive Methoden.
Umfangreiches Maßnahmenpaket
Hanjo von Wietersheim, Pionier auf dem Gebiet der Notfallseelsorge und der Psychosozialen Notfallversorgung, brachte als Trainer den Teilnehmenden ein umfangreiches Maßnahmenpaket nahe. Prävention beginnt demnach bereits in der Aus- und Fortbildung von Einsatzkräften, ein Grundsatz, den etwa die Feuerwehren im Landkreis schon lange beherzigen und die Notfallseelsorge auch in die Grundausbildung von Feuerwehrmännern und -frauen einbinden.
Als Reaktion auf möglicherweise belastende Einsatzerfahrungen bieten sich dann verschiedene Gesprächsmodelle an. Diese wurden von den Schulungsteilnehmern in Rollenspielen eingeübt. Erstaunt stellten sie fest, wie intensiv Situationen
bereits in der Künstlichkeit einer Übungssituation erlebt werden und wie hilfreich sich eine klare Struktur auswirkt.
Behandlung mitunter erforderlich
Klar sind aber auch die Grenzen der Begleitung durch Peers. Selbst Einsatznachbesprechungen haben lediglich präventiven Charakter. Entwickelt eine Einsatzkraft aufgrund der erfahrenen Belastung eine akute oder posttraumatische Belastungsstörung, wird eine traumatherapeutische Behandlung durch einen Psychotherapeuten oder Psychiater erforderlich. Hier können die Peers lediglich unterstützen, indem sie entsprechende Kontakte vermitteln.
Zukünftig wird im Landkreis Heidenheim ein Einsatznachsorgeteam (ENT) dafür sorgen, dass Einsatzkräfte nach einem belastenden Ereignis die Möglichkeit haben, entlastende Gespräche zu führen und mithilfe der notwendigen Informationen auftretende Belastungsreaktionen als „adäquate Reaktion auf ein unnormales Ereignis“ einordnen können. Auch zu Dienst- und Übungsabenden können Mitglieder des ENT
eingeladen werden. Dem ENT gehören vorerst Einsatzkräfte aus Feuerwehr, DRK, Bergwacht, Rettungshundestaffel und Notfallseelsorge an. Die Leitung und Koordination liegt bei der Notfallseelsorge im Landkreis Heidenheim, die Alarmierung erfolgt über die Leitstelle in Aalen.