Notfallversorgung arbeitet an der Grenze
Deutsches Rotes Kreuz Der Rettungsdienst verzeichnet steigende Einsatzzahlen bei gleichzeitig schwieriger Personallage. Falsche Notrufe belasten das System zusätzlich. (HZ v. 15.03.23)
Der zunehmende Mangel an Fachkräften hat Auswirkungen auf den Rettungsdienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Heidenheim-Ulm. Laut Mike Müller, dem stellvertretenden Geschäftsführer, können zwar alle Dienste besetzt werden, die Personallage ist aber „sehr angespannt“.
Momentan werden an den Standorten Heidenheim und Ulm insgesamt 80 Notfallsanitäter ausgebildet und auch an Bewerbungen auf die Ausbildungsplätze mangelt es laut Müller nicht. Jährlich gingen an die 350 Bewerbungen ein. Das sei um ein Vielfaches mehr als in anderen Ausbildungsberufen. Das Problem sieht Müller deshalb nicht im fehlenden Nachwuchs, sondern dass der Nachwuchs nicht ewig in diesem Beruf bleibe. „Viele bleiben nur ein paar Jahre im Rettungsdienst und orientieren sich dann nochmal um.“. Deswegen seien momentan auch zehn Vollzeit-Notfallsanitäter-Stellen nicht besetzt.
Anzahl der Einsätze steigt an
Die Personaldefizite sind nicht nur zum jetzigen Zeitpunkt ein Problem, sondern werden es auch in Zukunft bleiben, denn die Anzahl an Einsätzen steigt stetig. Während im Jahr 2019 der DRK Rettungsdienst Heidenheim 23.676 Mal im Einsatz war rückte er 2022 circa 28.000 Mal aus. In diese Statistik fallen sowohl Rettungswagen- als auch Notarzteinsätze sowie Krankentransporte. Dieser Anstieg wird laut Geschäfts- und Tätigkeitsbericht des DRK Rettungsdienst Heidenheim-Ulm „durchaus kritisch gesehen“. Zusätzlich war auch der Arbeitersamariterbund (ASB) im Jahr 2022 auf 1874 Rettungseinsätzen im Landkreis Heidenheim unterwegs, sagt Rettungsdienstleiter Adrian Seipold-Haller.
Im Vergleich zu vor zehn Jahren, hat sich laut Müller sich das Einsatzaufkommen fast verdoppelt. Wie soll dieser Anstieg weiterhin bewältigt werden, wenn nicht gleichzeitig mehr Mitarbeitende im Einsatz sind? Gänzlich beantworten kann Müller diese Frage nicht. Zum einen werde natürlich versucht, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rettungsdienst zu erhalten und weiterhin genügend medizinisches Personal auszubilden. Zum anderen bestehe aber auch das Problem, dass viele Einsätze überhaupt keinen akuten Notfall darstellten und somit die Notfallversorgung im Landkreis zusätzlich belasteten. Die Zahlen dafür würden nicht genau erfasst, aber circa ein Drittel der Einsätze würden von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als „nicht zwingend notwendig“ erachtet. Dies seien zum Beispiel Fälle von Husten, Schnupfen und Heiserkeit oder pflegerische Probleme, die keinen Fall für den Rettungsdienst darstellten.
Unwissenheit in der Bevölkerung
Warum setzten Menschen so viele Notrufe ab, bei denen es sich nicht um akute Notfälle handelt? Müller schildert zwei zentrale Probleme. Einerseits gebe es immer weniger Ärztinnen und Ärzte, die Hausbesuche machen. Zum anderen wüssten die Menschen schlicht und einfach nicht, an welche Stelle man sich mit einem bestimmten Problem wendet. „Im Zweifelsfall wird eben immer die 112 gewählt“, so Müller. Dabei gebe es verschiedene Anlaufstellen wie den ärztliche Bereitschaftsdienst unter der Telefonnummer 116-117, die ärztliche Notfallpraxis im Klinikum Heidenheim, den Hausnotruf, oder auch einfach den Hausarzt oder die Hausärztin.
Als Lösung für dieses Problem sieht Müller zwei Möglichkeiten. Zum einen müsste in der Frage, in welchen Fällen der Rettungsdienst zuständig ist, mehr Aufklärung betrieben werden. Müller schildert eine Beispiel: Patientinnen oder Patienten wählen den Notruf. Kommen dann die Rettungssanitäter, möchten die Patienten nur Medikamente verabreicht bekommen, nicht aber ins Krankenhaus transportiert werden. Dieses häufiger auftretende Szenario sei kein Fall für den Rettungsdienst, sondern die Aufgabe der Ärztinnen und Ärzte in Praxen.
Was ist ein Notfall, was nicht?
Ein Lösungsansatz wäre laut Müller eine sogenannte „Zentrale Patientensteuerung“. Das Prinzip beruhe darauf, dass die Leitstelle die Steuerungsfunktion übernimmt, welcher Patient in welche Versorgungskategorie fällt. Je nachdem würden dann bei akuten Notfällen Einsatzfahrzeuge losgeschickt werden. In den anderen Fällen würden anderen Versorgungsstellen eingeschaltet oder auf diese verwiesen werden. Diese Art von Einordnung würde die für den Landkreis Heidenheim zuständige Leitstelle in Aalen auch jetzt schon versuchen. Es scheitere aber oft noch daran, dass die einzelnen Organisationen nicht gut genug vernetzt sind. Besonders hier besteht laut Müller noch ordentlich „Verbesserungspotenzial“.
Rettungsdienst im Deutschen Roten Kreuz
Der Rettungsdienst Heidenheim-Ulm ist Ansprechpartner für Notfallrettung und Krankentransport in Ulm, dem Alb-Donau-Kreis und dem Kreis Heidenheim und beschäftigt rund
500 Mitarbeitende an derzeit neun Rettungswachen, eine davon auf dem Heidenheimer Schlossberg.